Expert Roundtable in St. Moritz moderated by Christian Haas

«Experten-Round­table» in St. Moritz am 01.09.2021

Mit gutem Beispiel vorangehen, ist ganz wichtig!

Haas: Meine Dame, meine Her­ren, wo haben sich Ihre Führungs­fähigkeit­en in Ihrem Leben erst­mals gezeigt?

Chat­topad­hyay: Das war in meinen Anfän­gen im Invest­ment Bank­ing als Mar­ket­ing Exec­u­tive für Struk­turi­erte Anlage­pro­duk­te. Damals war ich für das Pro­duk­t­mar­ket­ing der DACH-Region zuständig und leit­ete ein kleines Team von mehreren gut aus­ge­bilde­ten, ange­hen­den Hochschu­la­b­sol­ven­ten, die mir im Rah­men eines Prak­tikums umfassend zuar­beit­eten. Gle­ichzeit­ig mussten die bank­in­ter­nen und ‑exter­nen «Zulief­er­er» per­ma­nent gebrieft, in Pro­jek­ten koor­diniert und ges­teuert wer­den. Mir hat es damals bere­its gefall­en, Men­schen mit neuen Ideen zu begeis­tern und fed­er­führend zu wirken, wenn es darum ging, etwas miteinan­der zu gestal­ten sowie zielo­ri­en­tiert zu arbeiten.

Keim: Ich denke, ins­beson­dere die Pan­demie hat Enormes abver­langt im Kon­text von Lead­er­ship. Die Arbeitswelt hat virtuell gear­beit­et und dies sehr erfol­gre­ich. Wir bei Impact Asset Man­age­ment sind europaweit unter­wegs und von daher virtuelles Arbeit­en gewohnt. Wir arbeit­en mit virtuellen Cock­pits und To-do-Lis­ten, welche uns die nötige Verbindlichkeit bringen.

«Es war in meinen ersten Jahren in der Grund­schule, als ich als «pos­i­tiv­er Leader» beze­ich­net wurde.» 
Cris­t­ian Andreoli

Andreoli: Es war in meinen ersten Jahren in der Grund­schule, als ich als «pos­i­tiv­er Leader» beze­ich­net wurde. Das war die Def­i­n­i­tion, mit der die Lehrer meinen Eltern erk­lärten, wie ein­fach es war, eine Klasse zu unter­richt­en, in der ich sass. In dieser Zeit kon­nte ich natür­lich mit allen meinen Klassenkam­er­aden zusam­me­nar­beit­en, die mir immer Fre­unde geblieben sind. Ich war in der Lage, ihnen beim Ler­nen zu helfen und eine umfassende und ein­fühlsame Stim­mung zu schaf­fen, so dass, wenn ein Prob­lem auf­tauchte, es nie ein einzelnes Prob­lem war, son­dern immer etwas, mit dem man sich gemein­sam befassen musste. Als ich aufwuchs, waren diese Eigen­schaften charak­ter­is­tisch für jede Aktiv­ität: Pfar­rver­band, Fuss­bal­lvere­in, gemein­nützige Organ­i­sa­tio­nen, beru­fliche Aufgaben.

Prömm: Meine Mut­ter sagte ein­mal, ich hätte schon als Drei­jähriger auf die Frage, was ich mal wer­den will, mit «Chef» geant­wortet. Im Ernst: Ich habe 2003 die Fund­ma­trix AG mit­ge­grün­det, mit 30 Jahren war ich für einen Vor­stand noch recht jung. Meine Auf­gabe war die Betreu­ung unser Asset-Man­age­ment-Part­ner. Ich glaube, eine mein­er Stärken ist, dass ich bei Mitar­bei­t­en­den und Part­nern die «Untertöne» wahrnehme und so die Rolle des «Ver­ste­hers» habe. Ich kon­nte so unser Net­zw­erk im Laufe der Jahre aus­bauen und fes­ti­gen. Nach einem Man­age­men­twech­sel habe ich Fund­ma­trix ab 2007 allein geführt.

«Führung macht mir Spass und liegt mir.»
David Kunz

Kunz: Als Leit­er von Dig­i­tal­isierung­spro­jek­ten an der Börse kon­nte ich erste Führungs­fähigkeit­en sam­meln und zeigen. Im Zuge dessen habe ich gemerkt, dass mir die Führung Spass macht und liegt. Ich finde es schön und span­nend, The­men voranzubrin­gen, Mitar­bei­t­ende zu fördern und Ver­ant­wor­tung übernehmen zu können.

Heuss­er: Ich habe vor ein paar Tagen einen alten Bekan­nten getrof­fen, einen Weg­be­gleit­er aus der Schulzeit. Er meinte, dass er sich als frisch geback­en­er Vater ger­ade ver­mehrt an seine Kind­heit zurück­erin­nere und wir tolle Jugend­jahre genossen hät­ten. Wir sind in einem Quarti­er mit sehr vie­len Fam­i­lien und Kindern aufgewach­sen. Für aller­lei Grup­pen- und Gemein­schaftsspiele brauchte es natür­lich gute Organ­isatoren, geschick­te Rädels­führer und zuver­läs­sige Teamkapitäne. Dabei habe ich meine ersten Erfahrun­gen als Führungsper­son gesam­melt und meine Führungs­fähigkeit­en erst­mals gezeigt. Später engagierte ich mich im Vor­stand von ver­schiede­nen Vereinen.

Haas: Welche Eigen­schaften eracht­en Sie als beson­ders wichtig, um als Führungsper­son pos­i­tiv wahrgenom­men zu werden?

Keim: Aus mein­er Sicht sind Ver­lässlichkeit, Authen­tiz­ität und das berühmte «No Bull­shit» wichtige Führungsqualitäten.

Heuss­er: Beschei­den­heit und Boden­haf­tung stellen das Team und nicht die Führungsper­son in den Vorder­grund: «Lass die Men­schen scheinen — Let the peo­ple shine» und «Die Men­schen stärken — Empow­er the peo­ple». Gle­ichzeit­ig soll die Führungsper­son die sichere und ver­lässliche Basis bilden. Die fol­gen­den Eigen­schaften erachte ich daher als beson­ders wichtig: Gute Feed­back-Kul­tur mit offen­er, wirkungsvoller und ehrlich­er Kom­mu­nika­tion — Ruhe bewahren — Immer auf das Pos­i­tive und das mögliche Poten­zial fokussieren (ressourcenori­en­tiertes Agieren) — Risiken einge­hen — Motivierend inspiri­eren — Indi­viduen akzep­tieren und Empathie zeigen.

«Man muss Mitar­bei­t­en­den aber auch proak­tiv sig­nal­isieren, dass man ihnen ver­traut — und ihnen etwas zutraut.» 
San­dra Chattopadhyay

Chat­topad­hyay: Eine aus­geprägte Kom­mu­nika­tion ist das Fun­da­ment für Ver­trauen, gegen­seit­i­gen Respekt und ein pos­i­tives Kli­ma. Man muss Mitar­bei­t­en­den aber auch proak­tiv sig­nal­isieren, dass man ihnen ver­traut — und ihnen etwas zutraut. Es ist wichtig, Mikro­man­age­ment rechtzeit­ig zu bemerken und sich schnell wieder auf die eige­nen Auf­gaben zurück­zubesin­nen. Wenn es umgekehrt ein­mal drunter und drüber geht, sollte man sich nicht zu schade sein, die Ärmel hochzukrem­peln und unter­stützend zu wirken. Zu guter Let­zt: Kol­le­gen sind Spezial­is­ten ihres jew­eili­gen Fach­bere­ichs — den sie oft bess­er beherrschen als jed­er andere. Sie möcht­en somit nicht per­ma­nent bevor­mundet wer­den. Ich bin ein Fan des kol­lab­o­ra­tiv­en Führungsstils, bei dem es darum geht, kol­le­gial zu überzeu­gen, statt ständig nur zu diktieren.

Kunz: Man sollte sich der Werte des Unternehmens und sein­er eige­nen sehr bewusst sein und diese Werte pos­i­tiv vor­leben. Ich finde es wichtig, Mitar­bei­t­ende zu fördern, aber auch zu fordern. Eben­so ist es entschei­dend, ein bei­d­seit­iges Ver­trauensver­hält­nis aufzubauen um Prob­leme, die auftreten, offen anzus­prechen und diese gemein­sam bewälti­gen zu können.

«Eine sehr wichtige Eigen­schaft ist die Vor­bild­funk­tion.» 
Philipp Prömm

Prömm: Eine sehr wichtige Eigen­schaft ist die Vor­bild­funk­tion. Als Führungsper­sön­lichkeit werde ich dann akzep­tiert, wenn ich das vor­lebe, was ich von anderen fordere. Dazu gehört auch die notwendi­ge Exper­tise. Ich denke, das wird im Umfeld sehr genau wahrgenom­men, ob man auch in den Details sat­telfest ist. Auf keinen Fall reicht es aus, einen Führungsanspruch mit einem Amt, einem Titel auf der Vis­itenkarte zu doku­men­tieren. Fast genau­so wichtig wie die Exper­tise ist für eine Führungsper­son ein hohes Mass an Empathie, das Bemühen um Ver­trauen. Auch die Finanzbranche ist let­z­tendlich «people’s busi­ness». Die Mitar­bei­t­en­den im Ver­trieb, im Mar­ket­ing, im Research müssen das Ver­trauen haben, dass die Führungse­tage die richti­gen Entschei­dun­gen trifft.

Andreoli: Da ich 30 Jahre alt bin und noch viel zu tun und zu ler­nen habe, kann ich Ihnen jet­zt nicht mit Sicher­heit sagen, was die Eigen­schaften eines pos­i­tiv­en Lead­ers sind. Ich kann einige Qual­itäten nen­nen, die mir während mein­er Erfahrung gezeigt haben, dass ich auf der guten Strasse war. Ver­ständ­nis: es ist sinn­los, jeman­den bei ein­er Auf­gabe zu führen, wenn man seinen Stand­punkt nicht richtig ver­standen hat. Am Ende entschei­det man selb­st, aber man soll sich­er sein, dass man den Stand­punkt des anderen gehört hat. Wenn sie anderen zuhören, wer­den sie darauf ver­trauen, dass sie einen Leit­er vor sich haben. Fair­ness: das ist hil­fre­ich, wenn sie erk­lären müssen, warum bes­timmte schwierige Entschei­dun­gen notwendig sind. Die Per­so­n­en wer­den ver­ste­hen, dass sie nicht ver­suchen, sie auszutricksen.

Haas: Welchen Ein­fluss hat das The­ma «Dig­i­tal­isierung» auf Ihren Führungsstil?

Prömm: Für viele Unternehmen hat die Dig­i­tal­isierung durch die Coro­na-Mass­nah­men einen Schub bekom­men, bei Share­hold­er Val­ue hat es uns eher in unser­er Strate­gie bestätigt. Wir hat­ten die IT des Unternehmens in die Cloud ver­lagert und nutzen Dig­i­tal­isierung offen­siv als Führungsin­stru­ment. Ob Research, Ver­trieb, Mar­ket­ing — alle Mitar­beit­er kön­nen unab­hängig von Ort und Zeit zugreifen. Wir dulden das nicht nur, son­dern fordern es ein, dass die Mitar­bei­t­en­den die dig­i­tal­en Möglichkeit­en nutzten. So sind zum Beispiel virtuelle «after works», unser «Fonds­gipfel» und «Val­ue Kom­pakt» dig­i­tale For­mate, die von Kun­den und Part­nern sehr gut angenom­men wer­den. Hier spielt auch die Vor­bild­funk­tion eine Rolle. Wenn die Führungse­tage ana­log arbeit­et, kann das Unternehmen schw­er einen dig­i­tal­en Ver­trieb aufbauen.

«Wir sind ja in den Bergen: Mit dem richti­gen Puls im Team lassen sich Berge ver­set­zen.» 
Oliv­er Heusser

Heuss­er: Die Emo­tio­nen müssen in der virtuellen Welt über­spitzt wer­den, um den gle­ichen Effekt wie in der realen Welt zu erzie­len. Wenn man Dig­i­tal­isierung und virtuelles Agieren bewusst ein­set­zt, sind sie keine Hür­den, son­dern Bere­icherun­gen im Führungsall­t­ag. Wir sind ja in den Bergen: Mit dem richti­gen Puls im Team lassen sich Berge ver­set­zen, egal ob mit dig­i­taler und/oder real­er Kraft.

«Ohne die bekan­nten Tools wäre die Pan­demie im Jahr 2020 ein Desaster gewor­den.» 
Chris­t­ian F. Keim

Keim: Wie oben schon beschrieben, ist Dig­i­tal­isierung heutzu­tage nicht wegzu­denken. Dig­i­tal­isierung hil­ft uns authen­tisch zu sein, hil­ft uns ver­lässlich zu sein, und hil­ft uns effizient miteinan­der zu arbeit­en. Ohne die bekan­nten Tools wäre die Pan­demie im Jahr 2020 ein Desaster geworden.

Kunz: Ger­ade in Coro­na-Zeit­en hat Dig­i­tal­isierung mit dem Home­of­fice einen neuen Stel­len­wert erhal­ten. Es ermöglicht neue Frei­heit­en des Arbeit­ens, ver­langt von Führungskräften allerd­ings mehr Ver­trauen in die Mitar­bei­t­en­den. Dieser Führungsstil bietet zudem auch neue Chan­cen. Mitar­bei­t­ende sind nicht mehr orts­ge­bun­den, das heisst auch für Unternehmen, dass sie Mitar­bei­t­ende auf der ganzen Welt ein­stellen kön­nen, was wiederum das Kom­pe­ten­zspek­trum erhöht, eine höhere Diver­si­fizierung ermöglicht und so zu neuen Per­spek­tiv­en des Arbeit­ens führen kann.

Andreoli: Die Dig­i­tal­isierung hat es sog­ar noch ein­fach­er gemacht, die oben genan­nten Eigen­schaften zu verbessern. Es ist sehr ein­fach, auf dem Laufend­en zu bleiben und die Men­schen zu führen, um ihnen zuzuhören, ihren Stand­punkt zu ver­ste­hen und sog­ar fair und trans­par­ent zu sein. Sie kön­nen sofort auf ein Prob­lem reagieren, das sich ihnen stellt, so dass sie merken, dass sie nicht allein gelassen wer­den. Mit Hil­fe dig­i­taler Geräte und Lösun­gen kann man fast alles ver­fol­gen, was für den Entschei­dung­sprozess sehr nüt­zlich ist. Darüber hin­aus ist es sehr ein­fach, Berichte zu erstellen, so dass die Leute leicht ver­ste­hen kön­nen, dass sie Entschei­dun­gen auf der Grund­lage von Dat­en tre­f­fen und nicht auf der Grund­lage ein­er per­sön­lichen Mei­n­ung, die möglicher­weise zu Prob­le­men in der Gruppe führen könnte.

Chat­topad­hyay: Die Dig­i­tal­isierung nimmt uns viele admin­is­tra­tive Arbeit­en ab; ein gross­er Teil des ehe­ma­li­gen «Ver­wal­tungskrams» fällt heute sog­ar über­haupt nicht mehr an. Wir kön­nen uns in der Folge stärk­er den fach­lichen Inhal­ten, dem per­sön­lichen Aus­tausch inner­halb des Teams sowie einem bre­it­eren Auf­gabenge­bi­et wid­men. Das Resul­tat: eine höhere Effizienz und ein viel stärk­eres unternehmerisches Mind­set eines jeden Einzel­nen. Der anhal­tende Trend zu Dig­i­tal­isierung führt let­ztlich zu mehr «Own­er­ship» in Bezug auf das eigene Arbeit­en, aber auch zu poten­ziell mehr Gestal­tungsspiel­raum, mehr Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl, höherem Selb­st­be­wusst­sein und Zufrieden­heit bei der Arbeit.

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