Die Homeoffice-Zeit sollte alles andere als gemütlich gewesen sein

Inter­view, 10.08.2021 auf fundplat.com

Herr Haas, fällt es Beruf­sleuten schw­er, sich vom gemütlichen Home­of­fice zu ver­ab­schieden, Busi­nessklei­dung anzuziehen und wieder Aussen­ter­mine zu machen?
Ide­al­er­weise haben wir in der Home­of­fice-Zeit ganz viele Aussen­ter­mine wahrgenom­men — dies zwar nicht physisch, sind aber den­noch in stetem Kon­takt mit unseren Stake­hold­ern gewe­sen. Denn schneller als gedacht oder einem lieb ist, entste­ht Dis­tanz, wenn das physis­che Ele­ment auf ein­mal weg­bricht. In solch tur­bu­len­ten und unsteten Zeit­en erwarten unsere Kundin­nen und Kun­den von uns aber kreative Lösungsan­sätze und damit ver­bun­dene Unterstützung, welche fun­da­men­tal­en Mehrw­ert gener­ieren. Anders for­muliert also eine echte Chance, die eigene Rel­e­vanz bei Stake­hol-dern in diesen Zeit­en weit­er zu fes­ti­gen. «Nev­er waste a good Cri­sis» hat bere­its Win­ston Churchill propagiert. Empathie ist aus mein­er Sicht in dieser Kon­stel­la­tion eines der wichtig­sten Attribute. Um aber eben wirk­lich empathisch sein zu kön­nen, ist es zwin­gend erforder­lich, sich voll und ganz auf sein Vis-à-vis einzu­lassen. Dies zu erre­ichen, ist mit viel Arbeit, Kreativ­ität und echtem Inter­esse ver­bun­den. Somit sollte die Home­of­fice-Zeit also alles andere als gemütlich gewe­sen sein, son­dern als Vorar­beit gedi­ent haben, um noch stärkere Beziehun­gen aufzubauen und daran anzuknüpfen.


Sie ken­nen die Fondsin­dus­trie bestens. Gute Pro­duk­te haben viele Anbi­eter. Wie ste­ht es um Charak­terköpfe?
Natürlich, Unternehmen sind effizient geführt und hoch getak­tet. Die eigentliche Leis­tungser­brin-gung ist definiert und gute Pro­duk­te sind Voraus­set­zung — ist ja per se auch nichts Neues, son­dern reine Voraus­set­zung. Vielle­icht aber ver­gle­ich­bar, wie wenn ich in ein 5‑Sterne-Hotel gehe, erwarte ich auch einen Top Ser­vice. Doch häu­fig sind es dann aber den­noch die kleinen, uner­warteten Auf-merk­samkeit­en, die den grossen Unter­schied aus­machen. Mein­er Mei­n­ung nach liegt der entschei-dende, wet­tbe­werb­s­bes­tim­mende «sweet spot» in der attrak­tiv­en Sin­nge­bung, welche die Men­schen im Inner­sten engagiert. Wie definieren sie den Pur­pose, welch­er die Essenz aus­macht, welch­er ihnen erlaubt, durch Sinnerfüllung im Markt den entschei­den­den Unter­schied zu machen. Fakt ist, dass diese Dimen­sion in vie­len Organ­i­sa­tio­nen noch gross­es Poten­zial birgt. Der Grund dazu liegt auf der Hand: Es ist der Bere­ich, welch­er nur den Muti­gen zugänglich ist. Die Iden­ti­fika­tion eines klaren Sinnes bed­ingt eine tiefe und ehrliche Auseinan­der­set­zung mit sich selb­st, der Organ­i­sa­tion und deren Leis­tung. Die Mess­barkeit der Resul­tate ist kurzfristig nicht klar nachzuweisen und der Erfolg hängt davon ab, wie die Men­schen darauf reagieren. Den Pur­pose aufzubauen und ihm nachzuleben, erfordert Aus­dauer und Engage­ment. Ist es aber nicht genau der Bere­ich, welch­er in einem hoch entwick­el­ten und kom­pet­i­tiv­en Umfeld das Poten­zial für weit­eres Wach­s­tum und Erfolg liefert und der die eigentliche Seele des Unternehmens ausmacht?


Kann man Ausstrahlung, Begeis­terung und Überzeu­gungskraft ler­nen? Es gibt ja eine Unmenge an Büchern zu diesen The­men…
Ler­nen kann man doch eigentlich fast alles im Leben. Meines Eracht­ens ver­gle­ichen wir uns aber allzu oft im Leben mit Drit­ten, was dazu führen kann, dass wir bewusst oder vielle­icht eben genau unbe­wusst begin­nen zu kopieren und so sein zu wollen wie jemand Drit­ter. Somit ist aus mein­er Sicht die beste Voraus­set­zung für Ausstrahlung «Self-Aware­ness». Wenn ich mich auf meine Stärken fokussiere, meine Entwick­lungs­felder kenne und so zu mir ste­he und mit mir sel­ber in Bal­ance bin, dann strahle ich automa­tisch eine ganz «authen­tis­che» Energie aus.

Das Inter­esse an «Lead­er­ship» scheint gross zu sein. Anlässlich des bevorste­hen­den 1. Fund­plat «Moun­tain Talks» Sum­mits in St. Moritz planten wir mit Ihnen einen Round­table. Nun machen wir zwei. Was wer­den Sie mit den Teil­nehmenden disku­tieren?
Lead­er­ship-Stile sind immer stark vom eige­nen Wertesys­tem, von Überzeu­gun­gen und vom eige­nen Anspruch an sich selb­st geprägt. An den Round­ta­bles wer­den wir ein­er­seits auf das The­ma per­sön-lich­er Lead­er­ship einge­hen und dann den Bogen zum The­ma schla­gen, wie ich als Leader Organ­isa-tio­nen führe. The­men hierzu kön­nen zum Beispiel sein, wie reagiere oder gehe ich damit um, wenn meine Teams andere Ansicht­en haben oder wann agiere ich autoritär und wann stimme ich meine Entschei­dun­gen mit Anderen ab. In diesem Zusam­men­hang war natürlich auch die jüngste Covid-Ver­gan­gen­heit ein Parade­beispiel zum The­ma Lead­er­ship — hier wer­den wir The­men beleucht­en wie Dig­i­tal Lead­er­ship vs. Lead­er­ship in Dig­i­tal Times. Gibt es hierzu Unter­schiede oder doch nicht?

Ihr Unternehmen Urban Gurus führt auch höchst erfol­gre­ich Events im Oberen­gadin durch. Erzählen Sie mal…
Als Exec­u­tive und Leader ist man immer stark nach aussen gerichtet. Als Leader muss ich Strahl-kraft versprühen, Rich­tung vorgeben, die Kul­tur definieren und so agieren, dass sich andere an mir ori­en­tieren kön­nen. Das Sprich­wort von Anne Lam­ott bringt dies ganz schön auf den Punkt: «Light-hous­es don’t go run­ning all over an island look­ing for boats to save; they just stand there shin­ing.»
Mit unseren «Urban Gurus Retreats» bieten wir eine Plat­tform und ein Net­zw­erk an, wo sich Exe­cu-tives in dre­itäti­gen Retreats rein mit sich, sprich den eige­nen Werten, Überzeu­gun­gen oder dem eige­nen Pur­pose auseinan­der­set­zen — dies ganz exper­i­mentell und unkon­ven­tionell. Im Weit­eren ist das übergeordnete Mot­to: «What hap­pens in the Engadin, stays in the Engadin.»

Zur Per­son
Chris­t­ian Haas verfügt über mehr als zehn Jahre prak­tis­che Erfahrung im Asset Man­age­ment. Er hat einen Abschluss Fach­hochschule Zürich (HWZ) und hat die Aus­bil­dung zum Char­tered Alter­na­tive Invest­ment Ana­lyst (CAIA) abgeschlossen. Auf­grund seines grossen Inter­ess­es für zwis­chen­men­sch-liche Dynamiken im Unternehmen­su­m­feld hat er einen Exec­u­tive Mas­ter in Change an der INSEAD erworben.

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